Biografische Notizen erzählt von Heidi Hoyer, Tochter von Willy Trott.
Mein Vater ist am 23.03.1909 in Wahlwinkel bei Gotha geboren, er war von Februar 1948 bis März 1956 Heimschulleiter auf Burg Neuhaus. Er ist am 23.09.1973 mit 64 Jahren in Neuhaus gestorben.
Vor dem Krieg (1933 -1936) hat mein Vater Reformpädagogik bei Professor Peter Petersen in Jena studiert, der als neue Lernmethode den sog. „Jena-Plan“ entwickelt hat.
Nach dem Krieg wurde Professor Peter Petersen nach Braunschweig eingeladen, um einen Vortrag über seine neue Form des Unterrichtens, den Jena-Plan zu halten.
Auf Burg Neuhaus gab es ein Kinderheim. Man suchte einen Heimleiter. Von Petersen informiert bewarb sich mein Vater auf die Stelle, die er nach der Entnazifizierung im Februar 1948 antreten konnte. Hier auf Burg Neuhaus konnte er den Jena-Plan realisieren. Es sollten im Regierungsbezirk Braunschweig noch weitere Jena-Plan-Schulen entstehen. Durch die Vermittlung von Prof. P. Petersen trafen sich einige seiner Studenten, die auf der Suche nach Anstellung waren, in Neuhaus wieder. Es waren z.B. Frau Elisabeth (Berta) Voigt, Maria und Alfred Löffler und Dr. Herbert Ruppert, der bei Prof. Petersen promoviert hatte. Dr. Ruppert und Herr Löffler halfen meinem Vater beim Aufbau der Schule während ihrer Zeit in Neuhaus, Herr Löffler zeichnete zahlreiche Bilder, die ich dem Freundeskreis Burg Neuhaus schenkte.
Viele Pädagogikstudenten kamen zum Hospitieren an die Heimschule oder leisteten ein Praktikum ab. Die Schülerzahl betrug damals ca. 80 Schüler*innen. Frau Voigt, Frau Stapp (später verheiratete Löding) und Herr Riedel unterrichteten in dieser Zeit die Untergruppe, mein Vater die Mittel- und Obergruppe (es gab nur zwei Klassenräume).
Mein Vater war Heimleiter und Lehrer, meine Mutter Theresia war Wirtschaftsleiterin. Zusammen mit 5 Erzieherinnen und dem Hausmeisterehepaar Adler bewirtschafteten sie den gesamten Heimkomplex, Herr Adler hielt die Dampf-Zentralheizung in Gang.
Nach dem Vorbild des damals einzigen SOS – Kinderdorfes in Imst/Tirol lösten meine Eltern die alten Gruppen auf und bildeten Familiengruppen. Je eine Erzieherin war für eine Gruppe zuständig und lebte mit den Kindern in einem Familienverbund. So wurde nicht mehr gemeinsam im Rittersaal gegessen, sondern die Kinder holten das Essen in die Familiengruppen.
Die Heimkinder hatten das ganze Burggelände inklusive Burgpark zur Verfügung. Auf dem Burgteich bildete ein umgestürzter Baum eine Brücke zur Insel. Im Winter liefen sie auf dem zugefrorenen Teich Schlittschuh.
Das Heim war eine in sich geschlossene Welt. Es gab wenig Kontakte mit der Dorfbevölkerung. Die Kinder verdienten sich etwas Geld bei den Bauern, indem sie Kartoffelkäfer absammelten, Rüben verzogen und bei der Kartoffelernte halfen.
Zunächst wohnten meine Eltern in der Burg, anschließend im Obergeschoss des Verwalterhauses. 1956 bezog die Familie ein Eigenheim in Neuhaus, Am Seeteich.
Die Schulräume in der Burg waren sehr baufällig [Anm.: Die Planungen für den Neubau der Schule gestaltete Willy Trott noch mit]. Aber er verließ die Heimschule 1956, nach acht Jahren Aufbauarbeit, da er von den Schulräten nicht mehr die nötige Unterstützung für seine pädagogische Arbeit bekam. [Anm.: Ab April 1956 wurde Willy Trott Gewerbeoberlehrer in Braunschweig.]
Mit dem Neubau der Schule in Neuhaus wurden die Heimkinder gemeinsam mit den Kindern des Dorfes unterrichtet, die vorher die Schule im Nachbarort Reislingen besuchten.
Zusammenfassung nach mehreren Gesprächen, zuletzt 28.01.22, Heinrich Oys