Heimleiter Peter Grzesko (1971-1980)

Peter Grzesko ist Jahrgang 1940, in Berlin geboren und besuchte nach der Mittleren Reife die Grenzschutzfachschule des Bundesgrenzschutzes (BGS). Während seiner 8jährigen Dienstzeit als Polizeivollzugsbeamter des Bundes (BGS) absolviert er das Staatsexamen für Krankenpfleger und entschied sich 1965 für eine Ausbildung als Sozialarbeiter an der höheren Fachschule für Sozialarbeit des Landes Niedersachsen in Braunschweig. Sein Anerkennungsjahr und die erste Anstellung als Sozialarbeiter absolvierte er beim Jugendamt des Landkreises Osterode.

Im März 1971 wurde er als Heimleiter auf Burg Neuhaus eingestellt. Die nach der Probezeit ausgestellte Bewertung ist voll des Lobes. Er wird als Teamplayer beschrieben, der sich sehr verantwortungsvoll für die Heimkinder und die Belange der Mitarbeiter*innen einsetzte. Er übernahm auch Vertretungen in den Gruppen, damit schaffte er den persönlichen Kontakt zu den Heimkindern. Er orientierte sich stark an der SOS-Kinderdorf-Pädagogik, hatte aber immer wieder mit der angespannten Personallage im Heim zu kämpfen. Vor allem das Fehlen von Erzieher*innen, die Stellen waren auf Burg Neuhaus mit Kinderpflegerinnen besetzt, waren problematisch, weil letztere mehrheitlich keine sozialpädagogische Ausbildung besaßen.

Grzesko schaffte Abhilfe, indem er an jedem Sonnabend eine Erzieher*innenkonferenz einberief. Hier wurden die Probleme einer jeden Gruppe und wenn nötig eines jeden Kindes besprochen. Für nicht ausgebildete Kräfte wurden Fortbildungsveranstaltungen durchgeführt. Auch die Anleitung und Einführung der Praktikant*innen hatte bei Grzesko einen hohen Stellenwert.

Um die pädagogische Arbeit in der Heimschule kontinuierlich zu überprüfen und zu verbessern, führte er zusätzlich für die Erzieher*innen und Mitarbeiter*innen die Supervision ein.

Im Laufe seiner 9 Dienstjahre auf Burg Neuhaus bemühte er sich regelmäßig um mehr qualifiziertes Personal für sein Schulheim und um Modernisierung der Burg.

Seinen Heimkindern Lebens- und Orientierungshilfe zu geben, war ein großes Anliegen Grzeskos. Hierzu zählten auch die Angebote zur Sexualpädagogik. Mädchen und Jungen nahmen gemeinsam an diesen Gesprächen teil, die von qualifizierten Referent*innen durchgeführt wurden. Auf diesem Gebiet beschritt er Neuland in der konservativen Schulheimerziehung.

Peter Grzesko orientierte sich auch bei der Freizeitgestaltung seiner Heimkinder am Puls der Zeit: Im Erdgeschoss des Burgfrieds wurde von den Jugendlichen ein selbstverwalteter „Beatraum“ in Eigeninitiative eingerichtet. Teilnahme war ab 14 Jahre möglich, monatlich mussten die jugendlichen Nutzer*innen für die Raumunterhaltung 50 Pfennig zahlen. Zusätzlich veranstaltete Peter Grzesko jeden Freitagabend eine Disco, zu der auch größere Kinder und Jugendliche aus dem Dorf eingeladen waren, die reichlich Gebrauch von diesem Angebot machten. Diese Veranstaltung fand allerdings nicht die Zustimmung der älteren Erzieherinnen.

In einem Vermerk (StaatsA Wo 94N/ Nr. 452) über den Besuch des Kreisjugendamtes und Landesjugendamtes von 1972 werden die Freizeitangebote des Heimes beschrieben: “Für die Freizeitgestaltung werden den Kindern reichhaltige Angebote gemacht. Die erzieherischen Kräfte tragen entsprechend ihren besonderen Fähigkeiten und Interessen dazu bei. Zwei Zimmer der kürzlich frei gewordenen Hausmeisterwohnung wurden – zunächst provisorisch – als Werkräume eingerichtet. Hobelbänke, Brennöfen, viel Werkzeuge und anderes bieten Möglichkeiten zum Drechseln, Emaillieren und Töpfern. Auch Peddigrohr- Arbeiten, Batik-, Stroh- und Silberdrahtarbeiten werden gefertigt. Hier haben sich gewisse Schwerpunkte in den Gruppen gebildet, die beim Rundgang erkennbar waren – zur Freude des Besuchers. Nicht zuletzt gehört die künstlerisch-handwerkliche Tätigkeit u. a. zu den besonderen Begabungen des Heimleiters, der diese Arbeit bewußt fördert, weil sie nicht unwesentlich der Festigung der Persönlichkeit bei der Erziehung schwieriger Minderjähriger beiträgt und zugleich Freude macht.

Die Praktikanten der Pädagogischen Hochschulen Lüneburg, Braunschweig, Göttingen und Hildesheim setzten oft neue Akzente in der Freizeitgestaltung. Dann steht mit unter zum Beispiel das Singen und Musizieren (Blockflöte, Orff´sche Instrumente) mit auf dem Freizeitprogramm.

Der Kontakt zur Außenwelt ist recht gut. 48 Kinder gehören zum Beispiel dem Sportverein an. Fußballgruppe, Trimm-Dich-Gruppe, Mädchen- und Jungengruppen. Die große Turnhalle auf dem Heimgelände leistet dabei offenbar gute Dienste.“

Im zweiten Jahr als Schulheimleiter plante Peter Grzesko mit dem damaligen Schulleiter der Grundschule Neuhaus, Herrn Hermann Achilles, die 600-Jahr-Feier der Burg Neuhaus. Das ganze Dorf war in dieses große Ereignis eingebunden. Auch Dorf- und Heimkinder waren Akteure bei diesem Spectaculum: Als Knappen, Herolde, Trommler, Wachen, Handwerker, Burgmänner u.ä. Alle Schüler*innen bekamen eine Rolle in der Aufführung: „Empfang des Herzogs Magnus Torquatus mit Gefolge durch den Burgvogt und seinen Untertanen auf Burg Neuhaus“. Sogar „echte Pferde“ waren eingesetzt. Ein Rollenbuch dieser Jubiläumsschau befindet sich im Besitz des Freundeskreises.

Bis heute sind die Erinnerungen an das Burgjubiläum wach geblieben.

Die folgenden Fotos sprechen für sich:

Um die räumliche Situation der Erzieherinnen und Mitarbeiterinnen auf der Burg zu verbessern und den neuen Arbeitszeitregelungen Rechnung zu tragen, beantragte Grzesko den Bau eines Erzieher*innenhauses im Burgpark. (Anm: Rechts neben der heutigen Grundschule). Neue komfortable Appartements boten den Pädagogen*innen Entspannung vom anstrengenden Dienst. Zwar verbesserte dies die Situation der Erzieherinnen, die Idee der SOS-Familiengruppen wurde dadurch aber verwässert.

Wenn sich die Neuhäuser „Dorfkinder“ nach den Schulferien in der Schule mit den „Burgkindern“ trafen, erzählten jene überschwänglich von ihren Urlaubserlebnissen aus den unterschiedlichsten Ländern. Das war schwer erträglich für die Heimkinder, die die Ferien nicht mit ihren Eltern verbringen konnten, sondern in Neuhaus sich die Zeit vertreiben mussten. Hier schuf Herr Grzesko nach eigener Aussage Abhilfe. Über den Kontakt mit der Unternehmerfamilie Borgward, die in Neuhaus wohnte, erhielt er regelmäßig zum Ferienbeginn unentgeltlich einen VW-Bulli. Damit chauffierte er neun ältere Heimkinder durch Frankreich, Dänemark und Österreich. So hatten auch einige Erzieherinnen etliche Erholungstage.

Peter Grzeskos Bemühungen, die räumlichen und personellen Verhältnisse umfassend zu ändern, erwiesen sich als zäher und letztendlich erfolgloser Kampf.

(Anm.: Die vorstehenden Angaben beziehen sich auf Gespräche geführt von H. Oys mit Frau und Herrn Grzesko am 28.02.2021 und 25.02.2022 und auf Akten des StaatA Wolfenbüttel 94N Nr. 451)